Spinne des Jahres 2024
Gefleckte Höhlenspinne, Nesticus cellulanus (Clerck, 1757)
Information
Die Gefleckte Höhlenspinne, Nesticus cellulanus (Clerck, 1757), gehört zur Familie der Höhlenspinnen (Nesticidae). Diese Spinnenfamilie zählt weltweit 291 Arten, von denen in Europa (inklusive der Türkei und dem Kaukasus) 58 bekannt sind. In der Gattung Nesticus (Echte Höhlenspinnen) gibt es in Mitteleuropa nur diese eine Art.
Verbreitung, Lebensraum und Gefährdung
Die Gefleckte Höhlenspinne ist über ganz Europa bis in die Türkei verbreitet und häufig. In Mitteleuropa bzw. Österreich ist die Art vornehmlich an die planar-kolline Höhenstufe (bis 800m Seehöhe) gebunden, es gibt aber auch Nachweise bis knapp 1000m Seehöhe. Nesticus cellulanus lebt vor allem in Höhlen und Bergwerkstollen. In fast allen Roten Listen gilt die Art als nicht gefährdet, kann aber, so wie in Kärnten (Österreich), durchaus schon auf der Vornwarnliste („Near threatened“) stehen.
Beschreibung
Die Körperlänge von Nesticus cellulanus beträgt bei Weibchen 3,5–6 mm, die Männchen sind mit 3–5 mm etwas kleiner. Der Vorderkörper ist gelblich gefärbt und besitzt eine schwärzliche Zeichnung, die Brust ist hellgelb mit schwarzen Flecken. Der Hinterleib ist graugelbweißlich mit schwärzlichen Flecken und die Beine sind gelblich und schwarz geringelt.
Lebensweise
Die Gefleckte Höhlenspinne ist – wie der Name schon sagt – meist in Höhlen, Bergwerkstollen, Grotten und alten Kellergewölben anzutreffen. Sie ist also auf Standorte mit einem kühlen und feuchten Mikroklima angewiesen, die zudem vor Frost geschützt sein müssen und keine großen Temperaturschwankungen aufweisen dürfen. Daher kann sie im Freiland gelegentlich auch im Spaltensystem von Geröllhalden, in dunklen feuchten Erdspalten, unter Moospolstern, in hohlen Bäumen oder in Brunnenschächten zu finden sein.
Nesticus cellulanus baut zumeist in Vertiefungen von Höhlenwänden einen weitmaschigen Netzteppich, von dem aus Fangfäden nach unten führen. Die Fangfäden sind im unteren Bereich mit einer sehr regelmäßig angeordneten Reihe von Klebetröpfchen besetzt. Sobald sich ein Beutetier an den Klebetröpfchen verfangen hat, wird es von der Spinne mit weiteren Fangfäden beworfen, dann mit mehreren Giftbissen getötet und anschließend zum Netzteppich emporgezogen. Als Beute kommen am Boden bzw. an den Wänden laufende Tiere in Frage, wie z.B. Stechmücken oder andere Insekten.
Das Paarungsverhalten weist ebenfalls einige Eigenheiten auf: der Begattung geht eine Werbung voraus, wobei das Männchen an einem Faden des weiblichen Netzes zupft. Und nach einer kurzen nur wenige Minuten dauernden Kopulation, bei der beide Partner rücklings im Netz hängen, gibt das Weibchen dem Männchen bei der Einführung der Taster Hilfestellung.
Der kugelige rötlichgelbe Eikokon, in den das Weibchen die Eier legt, wird von diesem bis zum Schlüpfen der Jungspinnen an ihren Spinnwarzen getragen und erst später im Netz befestigt.
Die Reife- und Fortpflanzungszeit erstreckt sich kontinuierlich über das ganze Jahr, so dass alle Stadien gleichzeitig angetroffen werden können, allerdings mit einer Häufung der erwachsenen Tiere in den Sommermonaten.
Ähnliche Arten
Die Gefleckte Höhlenspinne kann mit der bei uns allerdings deutlich selteneren Bleichen Höhlenspinne (Kryptonesticus eremita) verwechselt werden, die etwas heller gefärbt ist. Der dunkle Mittelstreifen auf dem Vorderleib geht bei der Gefleckten Höhlenspinne von vorne nach hinten durch und wird bei der Bleichen Höhlenspinne ab der Mitte schmal oder ist gar nicht mehr vorhanden. Eine sichere Unterscheidung kann nur durch Untersuchung der Genitalien oder DNA-Barcoding erfolgen.
Warum wurde die Gefleckte Höhlenspinne zur Europäischen Spinne des Jahres gewählt?
Der Wahl ist eine Anfrage des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V., der seit 2009 ein Höhlentier des Jahres wählt, vorangegangen. Dessen Mitglieder hatten die Idee – ähnlich wie schon 2012, als die Große Höhlenspinne Meta menardi ausgesucht wurde – das Höhlentier und die Spinne des Jahres zu kombinieren. Ein Vorschlag, dem sich die „Spinnen-Jury“ (84 Arachnologen aus 27 europäischen Ländern) angeschlossen hat. Dies ist auch als deutliches Zeichen dafür zu verstehen, dass gerade bei der Erforschung der unterirdischen Ökosysteme und der darin vorkommenden Arten noch ein enormer Handlungsbedarf besteht und die gute Zusammenarbeit zwischen den Höhlenforschern (Speläologen) und den Spinnenforschern (Arachnologen) weiter ausgebaut werden soll.
Mit der Wahl der Spinne des Jahres soll aber nicht nur eine „wenig beliebte“ Tiergruppe ins rechte Licht gerückt und auf bedrohte Lebensräume – in diesem Fall Höhlen als spezielle schützenswerte Lebensräume – hingewiesen werden, sondern gleichzeitig erhoffen sich die Wissenschaftler, Daten zur aktuellen Verbreitung zu bekommen. In diesem Sinne: halten Sie beim nächsten Besuch einer Höhle die Augen offen und helfen Sie mit ihrer Fundmeldung/ihrem Foto bei der Dokumentation dieser Art.
Die Koordination zur Spinne des Jahres liegt beim Naturhistorischen Museum Wien, in Zusammenarbeit mit der Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) und der European Society of Arachnology (ESA).
Christoph Hörweg
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